Am 31. Juli 2025 wurde Walter Veit, als Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung, zur aktuellen Lage im Sommertourismus in Österreich in der Zeit im Bild 2 interviewt. Das Gespräch kann hier nachgeschaut werden. Ich habe ein paar Probleme mit der aus meiner Sicht nicht neutralen Fragestellung beim Interview und möchte meine Argumente hier darlegen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die erste Saisonhälfte 2025 in Österreich durchwachsen war und dass es ein ziemliches West-Ost-Gefälle gibt. Also: In Salzburg und Tirol ist man zufrieden, in Wien weniger. Wobei der Vergleich halt hinkt, denn 2024 gab es ein Taylor-Swift-Konzert, das leider nie stattgefunden hat, aber natürlich jede Menge Gäste aus aller Welt nach Wien gelockt hat. Neben ein paar Erklärungen rund um die schlechte Ertragslage und die schlechten Erwartungen für das restliche Jahr möchte ich aber einen wesentlichen Punkt thematisieren, und zwar das Thema Fragestellung eines Interviewers, der vor allem in der Nachrichtensendung Zeit im Bild aus meiner Sicht absolut neutral und nicht suggestiv zu sein hat.
Mich persönlich hat an dem Interview weniger der Inhalt von Veits Antworten gestört – die waren weitgehend plausibel – sondern die Art der Fragestellung durch die Interviewerin. Sie hat mehrmals in ihren Fragen den Fokus darauf gelegt, ob denn nicht hohe Preise bzw. Löhne schuld an den leeren Betten seien.
Beispielsweise fragte sie sinngemäß: „Ist Urlaub in Österreich vielleicht zu teuer?“ und verwies auf die überdurchschnittlichen Preissteigerungen in der Hotellerie. Auch wurde betont, dass Restaurants und Hotels ihre Preise um 5,5 % erhöht haben, deutlich mehr als die allgemeine Inflation (3,3 %). Indirekt schwang in diesen Fragen mit: Wenn die Preise (und damit vor allem die Personalkosten) nicht so gestiegen wären, kämen vielleicht mehr Gäste. Die Interviewerin stellte die Lage ein wenig so dar, als wäre die Branche selbst schuld an der schwächeren Nachfrage, weil sie die Preise erhöht hat – und diese Preissteigerungen wurden von ihr implizit auf die gestiegenen Löhne zurückgeführt.
Diese Fokussierung halte ich für zu kurz gegriffen. Sie suggeriert nämlich, dass die Angestellten in der Hotellerie auf Geld verzichten sollten, damit der Urlaub für alle billiger wird – und sich dann schon das Problem mit den leeren Betten lösen würde. Aus meiner Sicht ist das der falsche Ansatz. Denn damit würde man die Uhr zurückdrehen in eine Zeit, in der Jobs im Tourismus unterdurchschnittlich bezahlt und oft unattraktiv waren. Die Frage sollte nicht sein, ob Arbeitnehmer weniger verdienen dürfen, nur damit Urlauber ein paar Euro sparen.
Ich – und hier hinterlege ich jetzt bewusst keine Fakten, es ist rein meine Meinung – finde, dass die Menschen auch im Tourismus fair entlohnt werden sollen. Und wenn es dann halt so viel kostet, dann ist es halt mal so. Ich kann mich erinnern, dass ich eine tolle Zeit vor einigen Jahren im Hotel Dachsteinkönig hatte. Mittlerweile werden da aber 1.000 € pro Nacht mit einer gewissen Anzahl an Mindestbuchungen aufgerufen. Das kann und will ich mir nicht leisten. Also fahre ich halt woanders hin. Ich finde das auch nicht so schlimm.
Die Tourismusbranche war lange als Niedriglohnsektor bekannt. Noch 2019 lag das mittlere Bruttomonatseinkommen in Beherbergung/Gastronomie bei unter 1.900 € und damit mit Abstand am niedrigsten von allen Branchen in Österreich. Viele Beschäftigte kamen nur knapp oder gar nicht mit dem Geld aus. Gleichzeitig sind die Arbeitszeiten oft unattraktiv (Wochenend-/Abenddienste, Überstunden). Diese Bedingungen haben dazu geführt, dass in und nach der Pandemie Tausende Fachkräfte dem Sektor den Rücken gekehrt haben. Hotels und Restaurants standen plötzlich ohne genügend Personal da – ein Problem, das bis heute anhält.
Die Reaktion darauf waren deutliche Gehaltserhöhungen in den letzten zwei Jahren. Beispielsweise wurde für 2023 ein Lohnabschluss von durchschnittlich +9,3 % für die 230.000 Beschäftigten im Hotel- und Gastgewerbe vereinbart. Das liegt über der damaligen Inflation, bringt also einen Reallohnzuwachs für die Mitarbeiter. Erstmals bewegt man sich Richtung 2.000 € Mindestlohn im Tourismus, was eigentlich noch immer kein Luxusgehalt ist. Mit anderen Worten: Die Branche musste kräftig an der Lohnschraube drehen, um überhaupt wieder Leute zu finden. Dennoch bleiben es Jobs mit vergleichsweise niedriger Bezahlung – aber zumindest ist ein Schritt in die richtige Richtung getan.
Was Veit auch anspricht, ist das Thema Wertschöpfung. Genau hier liegt der Unterschied zwischen klassischer Hotellerie und der boomenden Ferienwohnungs-Schiene: Hotels schaffen Arbeitsplätze, bilden aus, kaufen regional ein und zahlen Abgaben – ihre Wertschöpfung pro Nächtigung ist ungleich höher. Studien belegen: Von 1 € Hotelumsatz bleiben rund 68 Cent in der Region, ein Muster-4*S-Betrieb generiert über 55 € regionalen Effekt pro Personennacht. Ferienwohnungen/Zweitwohnsitze tragen im Gesamtsystem hingegen nur einen sehr kleinen Ausgabenanteil bei. Wer also pauschal „billiger“ fordert, verkennt: Qualität kostet – und sie schafft Wert: für Mitarbeiter:innen, für Betriebe und für die Regionen. Und – um auf das Thema Journalismus zurückzukommen – genau das würde ich mir von einem neutralen Interviewer fordern, nämlich dass er versucht herauszufinden, was die Hintergründe der Rückgänge sind und ob dieser Rückgang tatsächlich so schlimm ist. Suggestiv zu fragen, ob denn nicht weniger Lohn bezahlt werden sollte, damit wieder alles billiger wird, ist da ganz weit weg von neutral.
Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=h1Q9StYJdDI
https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2025/07/20250717VPIJuni2025EN.pdf
https://tourismusberatung.prodinger.at/2024/07/05/die-wirtschaftskraft-eines-hotelbetriebs/