Ich bin mit dem NES groß geworden – Mario, Röhren, Goombas, der ganze 8-Bit-Zauber. Und weil ich gleichzeitig Klemmbausteine liebe, war’s nur eine Frage der Zeit, bis ein Super-Mario-Set bei mir landet. Vor einem halben Jahr wurde es die LEGO® Super Mario™ Piranha Plant (Set 71426) – ein 18+ „Build-to-Display“-Modell mit beweglichem Kopf, Maul, Stängel und Blättern, im baubaren Rohrtopf. Sogar zwei Münz-Tiles sind dabei.
Der Bau war wirklich cool, vor allem der Kopf. Technisch macht das Set viel über SNOT – das steht für Studs Not On Top, also Bauen mit seitlich ausgerichteten Noppen, um glatte Rundungen und stabile Querschnitte hinzubekommen.
Nach dem Bauschritt kam noch der Gag: vorne am Topf drücken, Münzen plumpsen. Hab ich zwei-, dreimal gemacht. Danach stand die Pflanze im Wohnzimmer – und staubte ein. Letztes Wochenende war ich auf einer Ausstellung mit Flohmarkt vom Verein Der helfende Stein und hab die Pflanze dort weitergegeben. Fertig gebaut war sie super, aber sie war für mich am Ende eben nur Deko.
Wozu sind Klemmbausteine eigentlich da?
Für mich sind Steine erst mal Werkzeug für Fantasie. Das freie Spiel – bauen, umbauen, wieder zerlegen, Geschichten spinnen – fördert nachweislich Selbstregulation, Sprache, Sozialkompetenz und exekutive Funktionen; die American Academy of Pediatrics spricht sogar von einer „Rezeptur fürs Spielen“.
„Kidults“ und der Display-Shift
Zum Thema Kidults habe ich schon für meine Masterarbeit recherchiert – die Zahlen dort sind ein paar Jahre alt und spiegeln den damaligen Stand. Inzwischen ist klar: Erwachsene sind eine relevante Käufergruppe. Circana schätzt den europäischen Teen-&-Erwachsenen-Spielwarenmarkt (12+) 2023 auf 4,5 Mrd. €, also 28,5 % der Gesamtverkäufe.
Der Hersteller hat darauf reagiert: 2020 kamen die 18+-Boxen und das Motto „Adults Welcome“ – inhaltlich oft klare Build-to-Display-Modelle, also schöne Objekte fürs Regal.
Auch in den USA treiben Erwachsene das Segment weiter: 2025 meldet Circana erneut, dass Verkäufe an 18+ kräftig wachsen. Schon 2022/23 sprach das NPD/Circana-Umfeld davon, dass „Kidults“ etwa ein Viertel der Umsätze stellen und den Zuwachs stark beeinflussen.
Wo bleibt das Spiel?
Ich erinnere mich an Classic-Town-Sets: in fünf Minuten aufgebaut – und dann wurde gespielt. Bei Technic gab es B-Modelle; heute lebt die Idee z. B. bei Creator 3-in-1 weiter. Das alles lädt zum Bauen-Zerlegen-Neubauen ein. MOC (My Own Creation) ist die natürliche Verlängerung: eigene Entwürfe, keine Anleitung, die Steine als Medium.
Parallel dazu sehen wir zwei Entwicklungen außerhalb der Steinewelt: Erstens, unstrukturiertes, freies Spiel ist in den letzten Jahrzehnten messbar zurückgegangen – mit Folgen für Selbstregulation und Wohlbefinden. Zweitens, Bildschirmzeit bei Kindern steigt bzw. bleibt hoch; die Common-Sense-Census-Reihe weist bei 0–8-Jährigen im Schnitt rund 2 ½ Stunden Screen-Media pro Tag aus (USA, 2025). Das frisst real verfügbare Spiel-Zeitbudgets.
Ich will nicht in „früher war alles besser“ abgleiten. Aber wenn die Branche den Fokus stärker auf erwachsene Build-to-Display-Käufer legt, wird das Angebot für offenes Spiel tendenziell kleiner. Und wenn wir als Community schöne Modelle nur noch hinstellen, statt sie weiterzudenken, helfen wir dem Trend.
Aber wie kommen wir aus dem Hamsterrad raus? So richtig weiß ich das leider auch nicht. Ich hoffe nur, dass meine Kinder ihre Sets noch lange kreativ bespielen – und nicht einfach nur hinstellen.
Quellen:
https://www.emarketer.com/content/move-over-kids-kidults-new-demographic-shopping-toy-aisle
https://www.healthychildren.org/English/news/Pages/healthier-children-play-according-to-the-AAP.aspx
https://files.eric.ed.gov/fulltext/EJ985541.pdf
Plauensteiner, J. (2024). Lego vs. alternative Klemmbausteine. Auswirkungen der Rechtsstreitigkeiten im Jahr 2022 auf das Konsumentenverhalten der Zielgruppe der AFOLs einerseits und mögliche Auswirkungen auf die eingesetzten Vertriebskanäle andererseits. Master-Thesis (MBA), Donau-Universität Krems, Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften, Danube Business School, Krems an der Donau.
